JULIA GAISBACHER

„Schwebende Aufmerksamkeit“

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2. September – 21. Oktober 2023

Eröffnung: Freitag,1. Sept. 2023 um 19 Uhr
Eröffnungsrede: Günter Holler-Schuster (Universalmuseum Joanneum)

ONE DAY YOU WILL MISS ME
(2017 – 2022, unterschiedliche Abmessungen und Materialien)

„One Day You Will Miss Me“ ist ein fortlaufendes Kunstprojekt, welches den entstehenden Luxusstadtteil „Belgrade Waterfront“ in Belgrad an der Save visuell dokumentiert und analysiert. Das größte Stadterneuerungsprojekt Europas verändert seit 2015 den Stadtteil Savamala mit dem Ufergebiet und seinem alten Hafen, dem Hauptbahnhof und den Wohngebieten sowie der gesamten Stadtlandschaft der Hauptstadt. Das Projekt umfasst 1,8 km2 mit hunderten Wohnungen in ikonische Türme, das größte Einkaufszentrum Südosteuropas und das neue Wahrzeichen von Belgrad – ein 168 Meter hoher Glasturm am Ufer der Save. Dieses Projekt wird von der serbischen Regierung verwaltet und mit Hilfe des in Abu Dhabi ansässigen Privatinvestors Eagle Hills umgesetzt. Das Kontroverse daran ist unter anderem, dass es von der serbischen Regierung ohne einen Architekturwettbewerb oder einem Bürgerreferendum genehmigt wurde.
Julia Gaisbacher fokussiert auf Diskrepanz zwischen der Lebensrealität vieler Belgraderinnen und Belgradern und den Hochglanzsujets der geplanten Wohnungen. Diese Aspekte prallen an den Werbesujets auf den Bauzäunen der Großbaustelle aufeinander. Lücken und Schäden in den Zäunen gewähren Durch- und Ausblicke und konfrontieren kommerzielles Ideal und Realität miteinander. Als Teil der Serie hat Gaisbacher Details der gerenderten Innenräume der Werbeplakate in Form von Still-Leben nachgestellt, um auf die konstruierten Lebensrealitäten und Wünsche des privatisierten Raums hinzuweisen.

KATHARINENSTRASSE
(2008, ca. 90 x 400 cm und ca. 50 x 100 cm Siebdruck auf Seidenpapier )

„Julia Gaisbachers Arbeit stellt die Dokumentation eines spezifischen Zeitabschnitts der Katharinenstraße in Dresden dar. Die Übersetzung der Sujets auf Seidenpapier und auf alte Plakate von den Fassaden des Straßenzugs spiegelt die gleichzeitige Fragilität und langfristige Widerstandsfähigkeit urbaner Gefüge wider. Die digitale Reduktion auf Umrisslinien gibt dem Sujet eine Allgemeingültigkeit, der konkrete Straßenzug wird zum Exempel urbaner Kultur.“ (Anna Resch ] Sebastian Jobst)

„My Dreamhouse is not a House“
(2018/ 19, Medienübergreifende und mehrteilige Arbeit mit Video: 49 Min. OmEU)

Die medienübergreifende Arbeit von Julia Gaisbacher legt den Fokus auf die Wohnbausiedlung Gerlitzgründe in Puntigam/Graz des steirischen Architekten Eilfried Huth. In drei Zugängen betrachtet sie den damaligen partizipativen Planungsprozess sowie das Verhältnis der Bewohnerinnen und Bewohner zur Siedlung im Lauf der Zeit. Eine Fotoserie analysiert auf formalästhetischer Ebene die Vielfalt der individuellen Gestaltung der Gebäude, ein arrangiertes Materialarchiv gibt Einblick in die Perspektive der Bewohnerinnen und Bewohner und des Architekten und im Rahmen vertiefender Gespräche zwischen Eilfried Huth und Doris Pollet-Kammerlander entstand das filmische Portrait des Architekten „Mein Traumhaus sind Luftschlösser“ in Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Ulrich A. Reiterer. 2023 erschien das gleichnamige Fotobuch im Berliner Verlag The Velvet Cell, gestaltet von Alejandro Cartagena und Fernando Gallegos.

PRIVAT
(2009, C-Print, 10 x 15 cm)

„In der aus 12 Fotografien bestehenden Arbeit PRIVAT zeigt Julia Gaisbacher ein, im Kunstbereich eher selten diskutiertes Phänomen des Sehens und Gesehenwerdens an einem vordergründig voyeuristischen Motiv auf. Es ist ja die Fotografie, die am deutlichsten das Sehen und gleichzeitige Gesehenwerden dokumentiert. Beim Betrachten eines Schlüssellochbildes denkt man eher an die Schaulust des Menschen, an den Reiz eines Tabus und nicht an die Möglichkeit, dass die Fotografierende auch gesehen oder entdeckt werden könnte. Ein Blick durch das Schlüsselloch bekommt aber heute auch durch das Internet, in dem der private und öffentliche Raum miteinander verschmelzen, eine neue „Qualität“. Die Lust am Schauen, die voyeuristischen Elemente des Sehens werden durch wohlfeil Angebotenes ohne großen Aufwand befriedigt.

Ein zweiter, nicht weniger interessanter Aspekt bedient eine mögliche Manipulation des Geschehens im Blickfeld des Schlüsselloches, was wiederum auf das Gesehenwerden, das Entdecktwerden verweist und somit durch manipuliertes Handeln oder Arrangieren der Schaulust des Beobachters, der diese Manipulation gar nicht wahrnehmen muss, entgegen kommt.

Julia Gaisbacher gibt uns mit ihrer Arbeit „PRIVAT“ die Möglichkeit über die Grenzen des Sehens, verschiedene Seiten der Manipulation, Objektivität und Subjektivität, Öffentlichkeit und Privatsphäre und die urheber- und persönlichkeitsrechtlichen Fragen zu diskutieren.“ (cdhartl)

FILME:

„Graz – Wien“
(2020, Video in Zusammenarbeit mit Fernando Gallegos )

Die 56-teilige Serie zeigt die Landschaft zwischen Graz und Wien in all ihren verschiedenen Facetten, die unter dem Einfluss der Bahntrasse seit dem 19. Jahrhundert entstanden ist. Darunter finden sich Industriegebiete, Flusslandschaften, Schrebergärten, Wälder, Städte, Weiden und vieles mehr.

A March in the City

in Zusammenarbeit mit Fernando Gallegos (Foto-Sequence und Konzept Video Produktion, Video, 100-teilige Fotoserie März 2022, aufgenommen in Wien und Hamburg)

Die Auftragsarbeit „A March in the City“ (Ein Marsch/März in der Stadt) handelt von den individuellen und kollektiven Versuchen, in Wien (AT) und Hamburg (DE) zwei Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie und während des beginnenden Krieges in der Ukraine wieder Anschluss an das Alltagsleben zu finden.

Dieses Werk untersucht die Suche nach Gewissheit, nach einem Gefühl der Sicherheit und der Verbundenheit mit dem alltäglichen Leben in und durch die Stadtlandschaft. Eine kontinuierliche Bewegung, die manchmal unterbrochen wird und sich im täglichen Gehen und Pendeln in der Stadt manifestiert, angetrieben von einer Sehnsucht nach Sinn und Frieden.